Kommuniaktionstipps für Physiotherapeuten

Gute Kommunikation ist der wichtigste Teil einer erfolgreichen physiotherapeutischen Behandlung.

Lerne, in meiner zweitägigen Fortbildung, wie Du Gesundheit verständlich machst.

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Ein Meister der Fragen

Wer ist nach 2000 Jahren immer noch einer der der bekanntesten Menschen der Antike? Sokrates, den Großmeister der Fragen. Was hat er geleistet, um seinen Ruhm zu erwerben? Er hat seine Fragentechnik perfektioniert, indem er die sogenannte Hebammentechnik angewendet hat, ließ er Menschen die Antwort auf Fragen selbst finden. Er ist der einzige Philosoph der Geschichte, der kein Wort aufschrieb und trotzdem bekannt ist wie ein bunter Hund. Funfact: Anscheinend hat Sokrates seine Fragentechnik perfektioniert, weil er um jeden Preis von seiner schrecklichen Frau flüchten wollte.

Fragen sind etwas urtypisches für den Menschen. Schon Adam und Eva begannen Fragen zu stellen, nachdem sie vom Baum der Erkenntnis naschten.  Seitdem sind Fragen DAS wichtigste Werkzeug der verbalen Kommunikation. In der Kommunikation wird häufig behauptet, dass derjenige der fragt führt.  Wäre es nicht super Fragen wirklich effizient einsetzen zu können? Möchtest du nicht auch lernen wie du mit einer Wundertechnik in Gesprächen mit deinen Patienten viel bewirken können?

Welche Magie können Fragen bewirken?

Fragen sind ein sehr vielseitiges Werkzeug. Gewissermaßen das Schweitzer Taschenmesser der Kommunikation. Mit Fragen kannst du:

  • Dein Gegenüber besser kennenlernen
  • Informationen sammeln
  • Gespräche leiten
  • Türöffner zu unserem Gegenüber
  • Kenntnissgewinn über Sachverhalte, Vorgänge, Gegenstände
  • Einladen zum Dialog
  • Gedanken des Gegenübers verstehen
  • Jemanden überzeugen

Fragen Welche Frageformen gibt es?

Es gibt generell vier mögliche Frageformen. Zum einem die offenen Fragen, die zum Antworten einladen. Zum Beispiel: „Wie hast du die letzte Behandlung erfahren?“.  Offene Fragen werden oft auch W-Fragen genannt. Wer? Warum? Wieso? Weshalb? Sie sind der Öffner für Gedanken und Verständnis für den Gegenüber. Selbst beim Schreiben von Büchern helfen offene Fragen extrem. Kürzlich habe ich für ein Fachbuch ein Kapitel zum Thema Shared Decision Making geschrieben.  Für die Struktur des Kapitels habe ich einfach die W-Fragen beantwortet und es dadurch relativ schnell schreiben können. Das Gegenteil von offenen Fragen sind geschlossene Fragen. Eine geschlossene Frage lässt nur eine konkrete Antwort zu. Im Krimi wäre das: „Haben sie das Opfer Frau xy ermordet?“ Dieser Fragentyp dient dem Konkretisieren, damit Inhalte spezifischer werden. Das Gespräch wird dadurch allerdings oft holprig und erliegt kommt schnell. In der Therapie verwendet man sie, um beispielsweise Rote Flaggen auszuschließen („Hatten Sie unerklärlichen Gewichtsverlust“?). Wusstest du, dass, der durchschnittliche deutsche Physiotherapeut satte 29 geschlossene Fragen in der Anamnese verwendet?

Offene und geschlossene Fragen sind gewissermaßen die Stammzellen der Fragearten. Daneben gibt es noch die Rhetorische- und die Suggestivfrage.  Als Schüler im Gymnasium habe ich die Begeisterung meiner Deutschlehrer über die Rhetorische Frage nicht geteilt. Mittlerweile weiß ich sie allerdings sehr zu schätzen, da sie Die Rhetorische Frage die Zuhörer aktiviert. Die beiden Fragen in der Einleitung sind ein Beispiel hierfür. Zur Erinnerung: „Möchtest du nicht auch lernen wie du mit einer Wundertechnik in Gesprächen mit deinen Patienten viel bewirken können?“. Als vierte Fragenart gibt es die Suggestivfragen, die das Gegenüber in eine bestimmte Richtung lenken sollen. Beispielsweise: „Du hast sicher nichts dagegen, wenn wir die Therapie heute kürzer machen oder?“ Suggestivfragen solltest du vermeiden bzw. nur erkennen, wenn sie als unfaires Mittel gegen einen verwendet werden.

Frageformen

Fragetypen

Fragen können neben Frageformen auch in Fragetypen unterschieden werden.

  1. Motivationsfragen:  Lob oder Wertschätzung motivieren eine ausführliche Antwort. Dieser Fragetyp ist vor allem bei schüchternen oder abweisenden Personen sehr nützlich [Bei der 6/6 Behandlungen]: „Du hast super gute Fortschritte gemacht, wie machen wir jetzt weiter? Wie sieht dein weiterer Weg aus?“
  2. Szenariofrage/Wunderfrage: Diese Frage entfacht Motivation: „Stell dir vor eine gute Fee, würde dir deinen Wunsch erfüllen, wie sieht dein Alltag aus.“
  3. Interpretationsfrage: Stimmt das gehörte mit dem verstandenen überein? „Verstehe ich es richtig, dass dir der Fortschritt zu langsam ist?“. Diese Frage kann, aber auch zum Provozieren genutzt werden: „Also habe ich dich richtig verstanden und Sport ist Mord?“
  4. Erzähl/Erlebnisfrage:  Erfahrungen des Gegenübers erkunden. „Du warst doch schon bei einer anderen Physiotherapie. Was haben die da mit dir gemacht?“
  5. Einschätzungsfrage: „Was hältst du von unserem Behandlungsplan?“

Fragetypen

Welche Fragearten sind in der Therapie besonders hilfreich?

Die Anamnese ist zentraler Teil der physiotherapeutischen Befundung. Selbst bei Ärzten beruht die Diagnose zu 60-80% auf der Anamnese. Trotzdem ist die Anamnese nicht selbstverständlich. Die meisten Gesundheitsdienstleister führen eine ineffiziente oder unvollständige Anamnese. Das geht so weit, dass weniger als 50% der Mediziner mindestens 60% der Hauptanliegen der Patienten finden. In der Therapie ist es sinnvoll jede Anamnese mit der Frage: „Was wollen wir erreichen?“ zu beginnen. Auch wenn ich es schon unzählige Male sagte, diese Frage lädt direkt zum Erzählen ein und der Patient wird auf die Problemlösung statt auf die Problembetrachtung ausgerichtet. Das ist eine offene Frage. In der Anamnese solltest du probieren zu Beginn möglichst viele offene Fragen zu stellen. Später im Verlauf der Anamnese solltest du Unklarheiten mit geschlossenen Fragen beseitigen. Das kannst du dir wie einen Trichter vorstellen. Zu Beginn probierst du möglichst vielfältige Informationen zu sammeln und gegen Ende klärst du Unklarheiten und gehst mehr ins Detail. Meine Faustregel für die Praxis ist es maximal 4 geschlossene Fragen in der Anamnese zu verwenden. In Praxis werden viel zu viele geschlossene Fragen verwendet ( Laut Prof. Thomas Messmer 29 pro physiotherapeutischer Anamnese). Das häufigste Problem warum eine Anamnese schlecht wird, ist, dass zu schnell, zu viele geschlossene Fragen verwendet werden.Trichter .

Vergleiche die beiden Aussagen.

 

T: „Also wo tut dir der Arm weh?“ P: „Da Außen.“ (Zeigt)PT: Ist der Schmerz ziehend oder drückend? P: „ziehend.“  T: „Was hast du bis jetzt gemacht? PX Ibu genommen, aber das hat nicht gebracht.“

 

T: „Erzähle mir von deinen Armschmerzen.“ P: „Es wurde die letzten Wochen schleichend schlimmer, nachdem ich beim Kampfsport auf den Rücken fiel. Ich habe das Gefühl, dabei hat sich mein Arm verspannt.“ T: „Wie hat es sich seitdem auf dich ausgewirkt.“ P: „ Ich habe die ganze Zeit Angst, dass etwas nicht mit meinem Arm stimmt und ich denke deswegen die ganze Zeit an meinen Arm.“

 

Warum hat die offene Frage jetzt bessere Ergebnisse geliefert?

  • Der Patient wurde ermutigt seine Geschichte vollständiger zu erzählen
  • Die Topf-schlagen-Methode (Schlagen bis man einen Treffer landet) wurde vermieden
  • Der Therapeut hat Zeit über das Gesagte nachzudenken
  • Die Befundung wird effektiver
  • Sowohl Beliefs auch biomedizinische Grundlagen wurden befragt

Wenn die offenen Fragen jetzt so mächtig sind, Warum ist es trotzdem wichtig später geschlossene Fragen zu verwenden? Geschlossene Fragen helfen das Gespräch zu fokussieren und das Problem einzugrenzen.

Suggestivfragen solltest du vermeiden, da sie dem Patienten die Entscheidungsmöglichkeiten nehmen.

 

Bonuswissen: Psychotherapeuten und Psychologen verwenden gerne sogenannte Wunderfragen. Wunderfragen sind Fragen die beim Gegenüber etwas auslösen. Wie oben beschrieben, frage ich jeden Patienten zuerst was er oder sie erreichen möchte. Allerdings höre ich hier sehr häufig: „Ich möchte, dass es nicht mehr wehtut.“ Das ist kein SMART-formuliertes Ziel und kann deswegen nicht erreicht werden. Oft hilft es, wenn ich dann die Wunderfrage stelle: „Stell dir vor eine gute Fee erfüllt dir sofort deinen Wunsch. Woran erkennst du es? Was kannst du wieder schmerzfrei machen?“ E Voila der Patient formuliert sein Therapieziel auf einmal spielendleicht SMART. Hier kannst du nochmal nachlesen willst, wie du Ziele formulierst.

Goethe hat sinngemäß gesagt, dass beim Beantworten einer Frage zwei neue Fragen entstehen. Kamen dir beim lesen noch Fragen? Schreibe sie mir gerne in die Kommentare oder schreibe mir per Mail.

Quellen:

Heine Helme, Philosophie für zwischendurch, Bassermann, 2019, S.36-39

Wallner Mai, Kommunikation, Lehrskript, DESLST 2020, S. 53-36

Pawlowski Klau, Du hast gut reden! Ein Spiel und Trainingsbuch zur praktischen Rhetorik, Rheinhartd,2015 S.15-26

Birkenbihl Vera, Das 30 Tage- Trainingsprogramm Kommunikation und Rhetorik

Messmer Thomas, Webinar Motivational Interviewing, 2022, Best

Silverman, Jonathan, Suzanne Kurtz, and Juliet Draper. Skills for communicating with patients. crc press, 2016. S. 59-108