Kommuniaktionstipps für Physiotherapeuten

Gute Kommunikation ist der wichtigste Teil einer erfolgreichen physiotherapeutischen Behandlung.

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Chronische Schmerzen

Als Physiotherapeuten sind wir Schmerzexperten. Zumindest laut Titel. Chronische schmerzen werden von unseren Patienten oft als die Hölle auf der Erde bezeichnet. Trotzdem wissen die meisten Physios nicht, dass chronische Schmerzen etwas ganz anderes sind als akute Schmerzen und deswegen anders behandelt gehören. In diesem Blogbeitrag lernst du den Unterschied und kannst dich von anderen Physiotherapeuten abheben und für deine Patienten den Unterschied bedeuten.

 

Was sind eigentlich chronische Schmerzen?

Das sind Schmerzen die mindestens 12 Wochen bestehen. Oft haben wir mehrere Wochen Wartezeit bis ein Patient zu uns kommt, nachdem er viele Wochen gewartet hat bevor er zum Arzt ging. Deswegen sind unsere Patienten oft schon chronifiziert, wenn wir mit der Behandlung anfangen. Daher ist es unglaublich wichtig, dass wir den Unterschied zwischen chronischen und akuten Schmerzen kennen.

 chronischer Schmerz

Neurophysiologie

Zur Erinnerung akute Schmerzen sind in der Regel nozizeptive Schmerzen. D.h. ein spezialisierter Nozizeptor (Gefahren-Reporter) sendet ein Signal an Rückenmark, sobald er gereizt wird. Das Rückenmark entscheidet, ob diese Meldung grade wichtig ist oder nicht und leitet diese Information dann über das zweite Neuron zum Gehirn weiter, wenn die Information als wichtig eingestuft wird. Anschließend spielt das Gehirn eine individuelle Schmerzmelodie. Hier könnt ihr noch einmal ausführlich nachlesen, wie akuter Schmerz entsteht.

Use it or lose it. Wir Menschen können die unglaublichsten Dinge erreichen, wenn wir wollen. Wir werden besser in dem was wir tun und können schier unmögliche Dinge schaffen, wie beispielsweise einen Marathon in unter 2 Stunden oder Berge wie den El Capitan Free solo besteigen. Leider werden wir auch besser darin Schmerzen zu fühlen. Wenn wir lange (<12 Wochen) Schmerzen erfahren, passieren die folgenden Anpassungen:

 

Peripherie:

Der Körper baut mehr Sensoren, die melden ob etwas passiert. Außerdem sind diese Sensoren länger offen. Am Beispiel einer Disco kannst du dir das vorstellen als, ob auf einmal die Nebentüren geöffnet werden und die Türsteher nicht probieren die Leute draußen zu halten, sondern möglichst viele Menschen in die Disco zu locken.

Die Stress-Stoffe Adrenalin und Kortisol werden ausgeschüttet. Diese kannst du dir das als Stresssuppe vorstellen, die das Gegenteil des Zaubertranks der unbeugsamen Gallier ist. Wenn dein Körper mit diesem Antizaubertrank getränkt ist bist du anfälliger für Verletzungen und Co.

Durch die gesteigerte Anzahl von Sensoren und der Stresssuppe treten Hyperalgesie und Allodynie auf. Hyperalgesie setzt sich zusammen aus Hyper (Übertrieben) und Algesie (Schmerzempfindlichkeit). Wir brauchen nicht die deduktiven Fähigkeiten eines Sherlock Holmes, um zu kombinieren, dass Hyperalgesie bedeutet, dass die gleiche Reizung eines Nozizeptors (Gefahrenmelder) jetzt eine größere Antwort auslöst. Allodynie hingegen bedeutet, dass reize die früher nicht als Schmerz interpretiert wurden jetzt als schmerzhaft erfahren werden.

 

Rückenmark

Richtig interessant wird es Im Rückenmark. Hier findet ein Großteil des „Zaubers“ statt. Hier wird entschieden, ob die eintreffenden Nachrichten wichtig sind und diese verstärkt oder abgebremst. Patienten mit einem chronischen Schmerzproblem haben oft zu wenig dämpfende und zu viele erregende Stoffe. Andersgesagt feuert das zweite Neuron ständig Aktionspotentiale zum Gehirn.

Wie erklären wir das jetzt unseren Patienten? Einige hilfreiche Metaphern sind;

  • Das ist wie Ferrari-Motor im VW Golf

  • Aus einer Mücke wird ein Elefant gemacht

  • Stell dir eine Alarmanlage vor, die du feiner einstellst, sobald einmal bei dir eingebrochen wurde. Jetzt geht sie schon los, wenn eine Fliege durch den Raum fliegt, statt erst wenn der Einbrecher die Scheibe einschlägt

  • Das Rückenmark funktioniert wie der Verstärker an der E-Gitarr

 

Gehirn

 

No brain no Pain. Schmerz entsteht immer erst im Gehirn. Bei chronischen Schmerzen treten auch dort drei Veränderungen auf. Gedankenviren wie „Ich habe Schmerzen, also muss etwas kaputt sein.“ Führen dazu, dass unser Gehirn-Orchester nur noch die Schmerzmelodie spielt und alle anderen Stücke vergisst. Anatomisch betrachtet geht das so weit, dass unser sensorischer Homunkulus verwischt.

homunculus

Ein kurzer Reminder zum Homunkulus. Das Wichtigste zuerst: hierbei handelt es sich nicht, um einen irischen Kobold. Wenn wir unser Gehirn fragen würden, wie wir aussehen, erhielten wir ein groteskes Männchen, bei dem Bereiche größer sind, die wir besser fühlen. Überspitzt würden wir riesige Zungen, Hände und Geschlechtsorgane haben, während wir winzige Arme und Beine besitzen würden. Wie kann dieser jetzt verwischen? Im sensorischen Kortex, haben wir verschiedene Bereiche für verschiedene Körperteile. Stell dir vor unser Homunculus ist mit Wasserfarben gezeichnet und wir schütten Wasser darüber. Jetzt ist nicht mehr erkennbar, ob es sich um den Ellenbogen oder die Hand handelt. Unsere Patienten würden uns zurückmelden, dass eine unklar definierbare Stelle weh tut („Mal tut es da und dann da weh, aber ich kann nicht genau sagen, wo es herkommt.“)

 

Fazit

Chronische Schmerzen sind meistens Schmerzen, die durch ein überaktives Nervensystem ausgelöst werden und nicht durch eine akute Gefahrenbotschaft ausgelöst werden. Deswegen ist es wichtig zu wissen, wie Schmerzen entstehen, damit wir unseren Patienten keine falschen Vorstellungen vermitteln.

 

Du hast den ersten und bekanntlich schwersten Schritt gemacht und weißt jetzt wie chronische Schmerzen entstehen. Lass das Ganze erstmal sacken. Nächste Woche erkläre ich wie ihr chronische Schmerzen behandelt.

 

Quellen:

Butler, David S., G. Lorimer Moseley, and Martina Egan Moog. Schmerzen verstehen, Berlin Heidelberg New York Tokio: Springer, 2016

https://pixabay.com/de/illustrations/h%C3%B6lle-fegefeuer-himmel-treppe-weg-735995/

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/51/Front_of_Sensory_Homunculus.gif