Kommuniaktionstipps für Physiotherapeuten

Gute Kommunikation ist der wichtigste Teil einer erfolgreichen physiotherapeutischen Behandlung.

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Die Wissenschaft hinter dem Schmerz: Eine faszinierende Reise in die Entstehung des Leidens Schmerz

 

„Ich möchte, dass es nicht mehr weh tut.“ Ist der häufigste Grund warum Patienten zu uns in die Physiotherapiepraxen kommen. Wenig später werden wir dann gebeten zu erklären warum es weh tut. Das ist gar nicht so leicht. Meistens fangen wir dann das Stottern an wie ein 16-Jähriger vor dem ersten Date… Heute lernst du die Neurophysiologie des Schmerzes und was sonst immer vergessen wird-wie immer 100% evidenzbasiert.

Komponenten des Schmerzes

Interpretation: Schmerz ist immer nur eine Interpretation, die uns bei Bedrohung schützen soll.  Wenn man ein Special-Snowflake fragt was Bedrohung ist, erhält man bestimmt alles, das nicht im Safespace ist“ als Antwort. Stell dir jetzt vor unsere Neandertalervorfahren rennen vorm Säbelzahntiger weg- jetzt verstaucht unser Urururopa sich seinen Knöchel. Denkst du in diesem Moment spürt er Schmerz? Es ist immer nur eine Interpretation eines Reizes

Schmerzerfahrung: Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Stell dir vor ein Klavierspieler verletzt sich an der Hand und eine Tänzerin verletzt sich an der Hand. Denkst du, dass beide genauso viel Schmerz empfinden? Nein es wurde nachgewiesen, dass der Pianist mit der gleichen Verletzung mehr Schmerzen spürt, als die Ballerina. Umgekehrt gilt das genauso. Die Ballerina würde dieselbe Verletzung am Fuß deutlich mehr spüren als der Musiker, da sie ihn viel mehr verwendet. Wusstest du, dass die Form der Tablette einen maßgeblichen Beitrag zum Placeboeffekt leistet? Stell dir vor du hast genau den gleichen Wirkstoff in zwei Tabletten. Einmal einer langweiligen weißen und das andere ein Prachtexemplar mit Kügelchen in zwei Farben. Du darfst einmal raten welche Tablette bessere Ergebnisse erzielt…

Schaden und Schmerz sind zwei paar Schuhe. Intuitiv spürt man, dass viel kaputt sein muss, wenn viel weh tut. Allerdings gibt es überhaupt keinen Zusammenhang von Schmerz und dem Ausmaß der Verletzung. Im Krieg hören wir immer wieder, dass Menschen angeschossen werde und den Schmerz erst merken, wenn sie den Pfeil im Arm oder die Kugel im Bein spüren. Andererseits schmerzt ein Schnitt an einem Stück Papier extrem, obwohl nicht einmal ein Hämophiler auf Blutverdünner (=Bluter) daran sterben würde… Oder was ist mit Fussballprofis, die ein Tor schießen, woraufhin die gesamte Mannschaft auf ihn springt ala Sauhaufen? Trotz der 700 Kg Mitspielerfleisch auf ihm spürt er keinen Schmerz- im Gegenteil er ist glücklich und steht gleich wieder auf.

Definition des Schmerzes

Aus diesen Komponenten kann die Definition des Schmerzes abgeleitet werden.

Schmerz ist definiert als: „Ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.

Neurophysiologie von Nozisensorik

Die 3 Stationen hierbei sind

  1. Periphere Nozisensoren. Im Körper verteilt sitzen lauter kleine Reporter, die im Fachbegriff Nozisensoren heißen. Diese sind wie Reporter (Sportreporter, Lokalnachrichten, Promiklatsch...) hochspezialisiert. Einige Reporter haben sich auf Hitzereize, andere auf chemische Reize wie Übersäuerung und andere auf mechanische Reize wie Quetschungen oder Schnitte spezialisiert. Sobald etwas passiert, dass in das Ressort eines Reportes fällt, wird er aktiv. Auf neurophysiologischer Ebene senden sie ein Aktionspotential durch das erste Neuron zum Rückenmark.
  2. Rückenmark. Hier laufen unzählige Neuronen zusammen. Das Gehirn wäre überfordert, wenn alle Reize gleichzeitig eintreffen würden. Deswegen filtert das Rückenmark wie eine Redaktion alle Nachrichten und sendet nur die wichtigen über das zweite Neuron zum Gehirn weiter. Physiologisch werden hier Neurotransmitter (NTM) in den Synaptischen Spalt geschüttet. Manche NTMs hemmen Aktivität und andere steigern sie. Anders gesagt wichtiges wird verstärkt und unwichtiges gedämpft.
  3. Das Gehirn ist die höchste Instanz. Gewissermaßen der Chefredakteur und entscheidet ob eine Reaktion nötig ist (Außer bei monoysnaptischen Reflexen). Interessanterweise wird bei jedem von uns ein anderes Muster an Arealen im Gehirn aufleuchten, wenn wir Schmerzen empfinden. Das kann man sich wie ein Orchester vorstellen, dass in gleicher Besatzung verschiedenste Melodien spielen kann.

Schmerzphysiologie

Biopsychosoziale Schmerzen

Wie bereits angesprochen spielen viele Punkte bei der Entstehung von Schmerz mit rein. Die Neurophysiologie oben ist die Biologische Komponente. Daneben gibt es die Psychologische und die soziale Komponente. Die Psychologische Komponente von Schmerz darf nicht unterschätzt werden. Nicht umsonst gestehen alle Menschen außer vielleicht einige Angehörige von Spezialeinheiten unter Folter alles, damit der Schmerz irgendwann aufhört. Zum Beispiel ist es bei chronischen Patienten so, dass sie nach 2 Nächten, in denen sie schlecht geschlafen haben, doppelt so viel Schmerz haben wie nach erholsamem Schlaf. Hier findet ihr noch einmal Tipps zur Schlafhygiene. Das geht noch viel weiter. Hattest du schon einmal Schmerzen, als du wirklich glücklich warst? Vermutlich eher nicht, da dein Körper dann β-Endorphine ausschüttet. Das sind die Glücklichmacher in der Schokolade und sie sind 60-mal stärker schmerzstillend als jedes aktuell im Labor herstellbares Mittel. Übrigens auch Sport schüttet Endorphine aus- Schlagwort Runners High und co. Um den Abschnitt zusammen zu fassen. Wenn du Montagmorgen im November im kalten Bett übermüdet aufwachst und dir denkst ah was für ein Scheiß, tut dir der Rücken vermutlich schon weh bevor du weißt auf welchem Planeten du bist.

Die soziale Komponente des Schmerzes wird am stärksten ausgeblendet. Ich hatte bis heute meine Hand und meinen Unterarm 7 Wochen eingegipst, da ich zu ambitioniert Rennrad fuhr. Deswegen musste meine fürsorgliche Freundin deutlich mehr im Haushalt machen als normal. Auch wenn ich ein totales Energiebündel bin, war es doch auch irgendwie schön nichts tun zu müssen. Oder stellt euch einmal vor ihr habt eines Patienten mit fürsorglichem Partner. Sobald sie sagt: Du Schatz, irgendwie tut mir der Rücken immer so weh...“ antwortet er immer mit „Ruh dich mal aus- Ich koche und putze heute.“ Dadurch wird sie konditioniert schmerz zu haben. Klinget da ein pawlowsches Glöckchen bei dir? Mein Lieblingsbeispiel aus der Praxis sind Patienten, die kommen: „Heute ist es besonders schlimm- bitte massier mich.“ NEIN!!!!!!!! Bloß nicht das wäre so als ob man den Hund dafür lobt, dass er auf den Teppich kackt. Kleine Randbemerkung von mir- was funktioniert denn nach der Funktionsmassage besser? Bitte lasst das massieren, da die Wissenschaft sie schon als unwirksam enttarnt hat. Die soziale Komponente kann auch eine Rolle spielen, wenn der Partner immer fragt: Tut es noh weh? Merkst du es noch? Auf einmal fühlt man sich als ob man schon halb auf dem Weg ins Altenheim ist…

Biopsychosoziale Schmerzen

Wie erklärt ihr das jetzt eurem Patienten? Möglich wäre zum Beispiel die Eimermetapher- Wenn der Eimer voll ist läuft er über.

Um gebildet zu klingen ende ich mit einem Zitat von Freud: Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen.“ Aber vielleicht nutzt euch der freudsche Versprecher „Freude gewinnen um Schmerz zu vermeiden“ mehr? Was hast du dazu gelernt?

Quellen:

https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/herausforderung-schmerz/was-ist-schmerz

Butler, David Sheridan, and G. Lorimer Moseley. Explain Pain 2nd Edn. Noigroup publications, 2013.

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